Chronopolitische Ansätze
Chronopolitische Ansätze thematisieren einen veränderten Umgang mit Strukturierungen von Zeit und finden sich sowohl in kunsthistorischen Diskursen als auch in gegenwärtigen künstlerischen Arbeitsweisen. Sie eint eine Skepsis gegenüber Formen historischer Geschlossenheit und Evidenz und sie exemplifizieren zeitliche Verläufe vermittels nicht-linearer Strategien der Wiederholung, Verschiebung, Dekonstruktion und Übersetzung von Zeit. Insbesondere künstlerische Rekonstruktionen geschichtlicher Ereignisse, die sogenannten «Reenactments», führen zu einer spannungsvollen Überlagerung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, durch die sich bisherige geschichtsbildliche Perspektiven potentiell neu formieren können. Grundlegend für den chronopolitischen Impuls in der Kunst ist die Frage danach, wessen Geschichte vergessen und wessen Historie erinnert wird. Das Forschungsprojekt greift zeitbezogene Strategien in der Kunst auf, indem es nach dem «Möglichkeitssinn» der Geschichte fragt, also danach, welche Bedeutung der Kunst bei der Balance im Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit hin zu einer «alternativen Gegenwart» zukommt. Vor diesem Hintergrund wird gefragt, wie aktuelle und historische Ereignisse durch ihre Verzahnung neue Betrachtungsformen von Geschichte zeitigen: Welche «alternative Gegenwart» kommt anhand eines zeitbasierten künstlerischen Experiments zum Vorschein? Inwieweit vermögen chronopolitische Ansätze in der Kunst lineare Zeitkonzeptionen und hegemoniale Geschichtsbilder kritisch zu befragen? Wie lassen sich künstlerisch mediatisierte Stimmen aus unterschiedlichen geografischen und politischen Systemen als «geteilte Geschichten» anerkennen?